Creative Commons-Geschäftsmodelle für Künstler

Creative Commons-Geschäftsmodelle für Künstler

Es ist nicht einfach, als Künstlerin oder als Künstler zu leben. Die meisten Schriftsteller halten sich mit Kolumnen, Brotjobs und gelegentlichen Stipendien über Wasser; jungen Malern und Musikern geht es nicht besser. Creative Commons Lizenzen werden daher von Kreativen noch immer skeptisch bewertet. Die Zeit für Kreativität ist begrenzt, warum sollte man seine Inhalte gratis abgeben? Vier Modelle aus der Digitalwirtschaft zeigen, warum sich Gratis-Angebote und freie Lizenzen lohnen, um dauerhaft eine Existenz als KünstlerIn zu sichern.

Als KünstlerIn leben mit 1000 echten Fans

Der größte Vorteil von offenen Angeboten im Netz ist die größere Reichweite. Diese Sichtbarkeit ist besonders für unbekannte Künstlerinnen und Künstler enorm wichtig: Ein großes Publikum sichert die kreative Unabhängigkeit und ermöglicht langfristig einen Lebensunterhalt jenseits von Verlagen, Galeristen, Labels und Verwertern. Der Internetpionier und Wired-Herausgeber Kevin Kelly hat diese Entwicklung richtig vorhergesagt: Mit 1000 echten Fans können Künstler verlässlich ihren Lebensunterhalt bestreiten. Wie Kelly anmerkt, ist diese Zahl höher oder niedriger anzusetzen, je nachdem, wieviele „Zwischenhändler“ und weitere Verwerter zu berücksichtigen sind. So sind im Self-Publishing weniger Unterstützer notwendig als bei Verlagen, da die Margen für den Autor im Selbstverlag höher ausfallen.

Bild: Aeranis, CC-BY

„A creator, such as an artist, musician, photographer, craftsperson, performer, animator, designer, videomaker, or author – in other words, anyone producing works of art – needs to acquire only 1,000 True Fans to make a living..“

Kevin Kelly, kk.org

„Echte Fans“ zu gewinnen, bedeutet mehr als die Zahl der eigenen Twitter-Follower zu erhöhen: Statt um bloße Sympathiebekundungen geht es um ein überzeugtes Publikum, das jedes neue Werk nach Möglichkeit kauft, selbständig Werbung macht, zu Konzerten fährt oder regelmäßig an dessen Ausstellungen teilnimmt.

Publikum aufbauen mit Creative Commons Lizenzen

Der Kölner Musiker Marco Trovatello ist noch recht unbekannt (danke an Frank Christian Stoffel für diesen Hinweis). Das ändert sich langsam: Trovatellos Musik wurde im Rahmen der Space Night auf BR Alpha gezeigt. Dank der offenen CC-Lizenz konnte ein Fan mit seinem Song „Be Sweet“ sogar ein eigenes Musikvideo produzieren: http://vimeo.com/75039775 Um ein großes Publikum aufzubauen, ist es äußerst hilfreich, wenn das „Produkt“ mindestens in Auszügen für alle Interessenten leicht zugänglich ist. Warum dies so wichtig ist, veranschaulicht der Marketing-Begriff des“Zero Moment of Truth“. Kunden bilden sich ihre Meinung über eine Marke in konkreten Situationen, in dem sie sich mit einem Produkt beschäftigen. Dieser „Augenblick der Wahrheit“ (Moment of Truth) wird durch das Netz nach vorne verlagert, er wird zum „zero moment of truth„. Bevor man ein Restaurant oder einen Friseursalon betritt, hat man sich bereits drei Internetbewertungen angesehen. Vor dem Konzertbesuch steht die Youtube-Suche, vor dem Meeting die Internetrecherche. Mit großzügigen Gratis-Angeboten im Netz und offenen Lizenzen ist es für den Nutzer möglich,

  • das Werk schnell einzuschätzen
  • das Werk weiterzuempfehlen und es mit Freunden zu teilen
  • mit dem / der KünstlerIn in Kontakt zu bleiben
  • sich aktiv mit dem Werk auseinanderzusetzen
  • auf das Werk mit eigenen Bearbeitungen aufzubauen und diese zu teilen (dank CC-Lizenz mit Namensnennung)
Fred Wilson (Investor). Bild: Wikipedia, Lizenz: CC-BY

„Give your service away for free, possibly ad supported but maybe not, acquire a lot of customers very efficiently through word of mouth, referral networks, organic search marketing, etc., then offer premium priced value added services or an enhanced version of your service to your customer base.“

Fred Wilson (Investor), My Favorite Business Model 

Eine CC-Lizenz für ausgewählte Werke ist dann besonders sinnvoll, wenn sie in ein Geschäftsmodell eingebunden ist, das die eigenen Ziele dauerhaft absichert. In seinem Buch „Free-kostenlos“ stellt Chris Anderson vier Modelle vor, wie sich mit Gratis-Angeboten Reichweite gewinnen lässt:

Kostenlos 1: Direkte Quersubventionen (Anbieter – Nutzer)

</a> Grafik nach Chris Anderson: Free – Kostenlos. Lizenz: CC-BY

Der Anbieter stellt ein Produkt kostenlos zur Verfügung, damit der Nutzer später ein anderes (kostenpflichtiges) Produkt kauft.Dieses Modell ist in der Wirtschaft weit verbreitet. Von der kostenlosen Parfümprobe zu der CD-Beilage in der Computerzeitschrift bis zu der Probiertheke beim Bäcker: Eine kleinere Menge kostenloser Produkte soll die Nachfrage nach einer größeren Menge kostenpflichtiger Angebote ankurbeln.

Ideen für Künstler und Autoren:

  • Ausgewählte Stücke auf Soundcloud, Vimeo, Youtube etc.
  • Einzelne Kurzgeschichten zum Download
  • Gratis-Ansichtskarten mit eigenen Bildern
  • Kostenlose Notenhefte, kostenpflichtiger Musikunterricht

Kostenlos 2: Drei-Parteien-Markt (Anbieter – Nutzer – Vermarkter)

Grafik nach Chris Anderson: Free – Kostenlos. Lizenz: CC-BY

Der Anbieter stellt ein Produkt kostenlos zur Verfügung, wird dafür aber von einer dritten Partei finanziert. Der Vermarkter (M) erhält dafür Werbefläche oder eine gute PR (Produkt 2), alles in der Absicht, dem Nutzer andere Produkte zu verkaufen. Das klingt etwas abstrakt, ist in der Digitalwirtschaft aber alltäglich. Die Produkte von Google und Facebook sind für alle Nutzer kostenlos, da die Plattformen von Werbung finanziert werden. Auch in der Bildenden Kunst haben Sponsoring-Modelle wie das Mäzenatentum eine lange Tradition. Bei kostenlosen Lesungen in Cafés, Konzerten in Kirchen oder Ausstellungen in Kneipen kann man das Modell ebenfalls beobachten: Im Austausch gegen die kostenlose Raumnutzung wird eine gewisse Werbewirkung erwartet, umgekehrt steigt die Aussicht auf Sponsoren mit der eigenen Bekanntheit.

Ideen für Künstler und Autoren:

  • Events (Lesungen etc) zusammen mit Sponsoren
  • Kooperation mit anderen Künstlern (z.B. Lesung/Ausstellung mit Gastmusikern)
  • Finanzierung von Katalogen, Notenheften und Buchprojekten durch passende Sponsoren
  • Gastbeiträge auf dem eigenen Blog

Kostenlos 3: Freemium

</a> Grafik nach Chris Anderson: Free – Kostenlos. Lizenz: CC-BY

Der Anbieter stellt ein Produkt kostenlos zur Verfügung, ein ähnliches Produkt mit besseren Eigenschaften ist kostenpflichtig. 95% der Nutzer von Internet-Diensten wie Dropbox verwenden lediglich die Gratis-Version. 5% zahlende Nutzer reichen aus, um das gesamte Angebot zu finanzieren. Das Radiohead-Album „In Rainbows“ wurde mit dem „Pay as much as you want“-Modell ab 0€ angeboten, eine kostenpflichtige Deluxe-Version ab 50€.. Im Unterschied zu dem Subventions-Modell werden Produkte nach dem Freemium-Prinzip mehrheitlich kostenlos abgegeben.

Ideen für Künstler und Autoren:

  • komplette Alben auf Soundcloud, Vimeo, Youtube etc., Konzerte mit Eintritt
  • Noten zum Download, kostenpflichtiges Notenbuch
  • Artikel im Netz, kostenpflichtige Bücher und Vorträge auf Tagungen

Kostenlos 4: Nichtmonetäre Märkte

</a> Grafik nach Chris Anderson: Free – Kostenlos. Lizenz: CC-BY

Der Anbieter stellt ein Produkte kostenlos zur Verfügung, ohne eine Vergütung zu erwarten. Mit der Digitalisierung sind zahlreiche Plattformen entstanden, deren Nutzer sich nicht vorrangig an finanziellen Interessen orientieren. Allein die deutschsprachige Wikipedia hat aktuell 20960 aktive Nutzer und 1,6 Millionen Einträge. Wikipedia-Autoren profitieren indirekt, von der Freude am Schreiben, neuen Anregungen, Kontakten in der Community und der langfristigen Motivation, an einem sinnvollen Projekt mitzuwirken. Der Einsatz für Non-Profit-Projekte kann sich ebenfalls günstig auf die eigene Reichweite auswirken: Von der Community wird gelegentlich auch ein Hinweis auf das eigene Buchprojekt geduldet, sofern der Beitrag das freie Wissen erweitert. Dies ist besonders dann möglich, wenn es zu dem Thema noch keinen eigenen Artikel gibt. In jedem Fall lohnt es sich aber, mit der eigenen Rolle transparent umzugehen und das Profil mit einem Hinweis auf die eigene Webseite zu ergänzen.

Ideen für Künstler und Autoren:

  • Inhalte auf Wikipedia einstellen (etwas beitragen, keine plumpe Werbung!)
  • Bilder auf Wikimedia Commons teilen
  • Beiträge in passenden Foren und Lesernetzwerken teilen

Die obigen Beispiele lassen sich bestimmt noch erweitern. Mit „Social Payments“ und dem Crowdfunding-Prinzip sind weitere Geschäftsmodelle entstanden, mit dem kreative Projekte finanziert werden können. Weitere Ideen zu neuen Geschäftsmodellen für Künstlerinnen und Künstler gibt es auf den Seiten der Piratenpartei. Kostenlose Angebote im Netz sind auch in diesem Fall wichtig, damit sich das Publikum schnell ein Bild machen kann, ob es die Künstlerin oder den Künstler fördert. Bei sämtlichen Gratis-Modellen kommt es vor allem darauf an, nicht nur authentische und gehaltvolle Inhalte anzubieten, sondern diese Angebote mit der eigenen Online-Präsenz zu vernetzen, damit die bessere Reichweite zu einem größeren Publikum führt. Das schönste Gratis-Angebot nützt wenig, wenn es nicht durch eine eigene Webseite ergänzt wird. Nutzer sind stets neugierig auf kostenlose Angebote im Netz. Wenn das Publikum von dem Angebot überzeugt ist und die Werke einfach weiterempfehlen kann, wird es deutlich leichter, von der eigenen Kunst zu leben.